Die AZ berichtet über unser neustes Projekt in Schinznach-Dorf
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Im «Hirzen» geht eine Ära zu Ende
Das Wirtepaar Lisbeth und Dieter Keist hat einen Käufer gefunden für die geschichtsträchtige Liegenschaft in Schinznach-Dorf.
Sie sind leidenschaftliche, zuvorkommende und humorvolle Gastgeber – seit Jahrzehnten: Lisbeth und Dieter Keist von der Wirtschaft zum Hirzen in Schinznach-Dorf. «Die Arbeit macht uns Spass, wir stehen jeden Tag mit Freude auf», sagen die 69-Jährige und der 58-Jährige gut gelaunt. Aber:«Es ist nun wirklich an der Zeit, den Betrieb abgeben zu dürfen.» Fünf Jahre lang hat das engagierte Wirtepaar einen Nachfolger aus der Gastronomie gesucht. Interessenten waren zwar vorhanden, ein Ergebnis kam allerdings nicht zustande. Vielen war die Unsicherheit, das Risiko zu gross. Schliesslich fiel der Entscheid, in der altehrwürdigen Liegenschaft an der Unterdorfstrasse Wohnungen einzurichten. Sie seien in der glücklichen Lage, einen Käufer gefunden zu haben, der Nägel mit Köpfen mache, sagen Lisbeth und Dieter Keist. Sie sprechen von einer tollen Lösung. «Es stimmt so für uns.»
Noch bis 8.Juni werden die Gäste verwöhnt
Nach der langen Ungewissheit steht derTermin für die Schliessung des Traditionslokals fest: Bis Mittwoch, 8. Juni, werden die Gäste begrüsst und verwöhnt, können sämtliche Gutscheine eingelöst werden. Am Samstag, 11. Juni, wird ein Flohmarkt durchgeführt, an dem verschiedene Dekogegenstände veräussert werden.
Übernommen wird der «Hirzen» von der MLL Group AG aus Brugg. Das Familienunternehmen ist in der Immobilienbranche tätig und spezialisiert auf Altstadtliegenschaften sowie renovationsbedürftige Liegenschaften. Der «Hirzen» sei ein Haus mit Geschichte, habe Potenzial, sagen Marjan Lleshaj und Toni Lleshaj von der Geschäftsleitung. Die Grobplanung sieht fünf bis sieben Mietwohnungenmit 2½ bis 5½ Zimmern vor. Rund 1,5 Mio. Franken werden in die Totalsanierung investiert. Der Start soll – verläuft alles reibungslos – im September oder Oktober dieses Jahres erfolgen.
Das Gebäude verfügt über eine gute Substanz
Im Oktober 2015 wurde die Öffentlichkeit erstmals über den geplanten Verkauf informiert. Corona habe die Suche nach einer Nachfolge zusätzlich verzögert, sagt der zuständige Immobilienberater Werner Fässler aus Umiken. Die Gastronomie habe unter der Pandemie gelitten, die Bedingungen seien nach wie vor schwierig. Anfang dieses Jahres seien dann neue Impulse gesetzt, eine Projektstudie für Wohnraumerstellt worden. Mit der MLL Group AG sei schnell eine Einigung erzielt worden, so Fässler. Am 8. April wurde der Kaufvertrag unterschrieben für das markante Gebäude, das einen guten Standard und eine gute Substanz aufweise. Es sei ein Einschnitt für ein Dorf, wenn ein Restaurant verloren gehe, ist sich Fässler bewusst. «Aber die Gesellschaft verändert sich.» An einem Medientermin gestern Donnerstagnachmittag haben die bisherigen und neuen Eigentümer aus erster Hand über das Geschäft informiert.
Von Feinschmeckern und Handwerkern besucht
Der «Hirzen» hat eine 300-jährige Geschichte, ist in dieser Zeit einige Male baulich verändert worden. Den vorherigen Besitzer kannte Dieter Keist von der Wirtefachschule. Dieser habe die Wirtschaft von einem Konsortium erworben, sich damit einen Jugendtraum erfüllt, aber total verausgabt. 1987 konnten Lisbeth und Dieter Keist – viel früher als ursprünglich geplant – das Lokal übernehmen, das ihnen immer gut gefallen habe. Sie hätten langsam und kontinuierlich von Grund auf etwas Neues aufbauen können, blicken sie zurück. Während die Küche sein Reich war, kümmerte sie sich während 35 Jahren in der Gaststube um das Wohl der Gäste. Sie hätten verschiedene Entwicklungen miterlebt, so das Wirtepaar. Promillegrenze oder Rauchverbot sind nur zwei der Stichworte. Sie hätten sich anpassen, immer wieder gut positionieren können. «Wir sind glücklich, haben ein gutes, treues Kundensegment», stellen sie fest. Der «Hirzen» hat sich etabliert als Treffpunkt von Feinschmeckern genauso wie von Handwerkern, Pensionären oder Vereinen. «Wir tanzten stets auf mehreren Hochzeiten, konnten aus jeder Epoche das Mögliche herausholen», sagen Lisbeth und Dieter Keist. Die Gastgeber freuen sich nun darauf, loszulassen, einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können. Der Zeitpunkt sei ideal, denn auch ihre beiden Mitarbeitenden stünden kurz vor der Pensionierung.«Wir kamen still und gehen leise», sagt Dieter Keist. Er will sich in den nächsten Jahren weiterhin beruflich einbringen. Ob bereits konkrete Pläne bestehen, verrät er allerdings nicht. Auch die Frage nach demz ukünftigen Wohnort lässt das Paar – gut gelaunt und mit einem verschmitzten Lächeln – offen.
Autor: Michael Hunziker
Erscheinungsdatum: 29. April 2022